Schweiz-Süden - Der Kontakt mit Schweizer Jugendlichen im Rahmen eines Einsatzes hat die Haltung eines 17-Jährigen Senegalesen für immer verändert.
Der 17-Jährige, nennen wir ihn Abdou, ist in einem senegalesischen Dorf am Ende der Welt aufgewachsen. Es ist die Art Dorf, die auf keiner Landkarte verzeichnet ist, weil zu unbedeutend. Ein Kaff, das bei Regierung und Behörden höchsten als Ziffer in einer Statistik vorkommt. Ein Dorf, in dem alle 17-Jährigen davon träumen auszuwandern.
Als sich die Neuigkeit verbreitete, dass eine Gruppe junger Menschen aus der Schweiz drei Wochen in Abdou’s Dorf verbringen würden, um beim Bau einer Reisverarbeitungsanlage zu helfen, traute der junge Mann seinen Ohren kaum: „Wieso sollten sich ‚Toubabs‘ aus einem reichen Land in mein Kaff verirren?“ Mitten in der Regenzeit stand die angekündigte Gruppe plötzlich im Dorf. Abdou glaubte zu träumen. Noch nie hatte jemand so viel Interesse an ihm gezeigt.
Der Besuch einer Einsatz-Gruppe von Nouvelle Planète ist für das ganze Dorf ein einmaliges Erlebnis. Die Dorfbewohner in acht Interventionsländern von Nouvelle Planète haben weder davor noch danach je Kontakt mit Ausländern. Die Wertschätzung, die sie dadurch erfahren, bleibt ein ganzes Leben lang unvergesslich.
Alles wollten die Fremden wissen: Sie staunten über die Feuerstelle und wunderten sich, dass Abdou nicht nur mit seinen Eltern und Geschwistern, aber auch mit Grosseltern, Onkel und Tante zusammen lebte.Er hingegen bewunderte ihre Fotokameras oder Kleider. Sie fragten ihn aus, über Schule, Musik und Sport, seine Familie, seine Kultur.
Seite an Seite arbeiteten Abdou und seine Freunde mit den „Toubabs“ auf der Baustelle, wo eine Reisverarbeitungsanlage entstand. Das Ziel: ein besseres Einkommen für Abdou’s Familie und das ganze Dorf. Bald kamen Fragen zum Zusammenleben von Mann und Frau. Abdou vernahm mit Erstaunen, dass die Fremden das senegalesische Rollenmodell in Frage stellten! In den Augen der Fremden, waren die Aufgaben zwischen Mann und Frau ungerecht verteilt. Sie fanden, dass die Männer, den Frauen in der Küche helfen sollten. Abdou hatte dafür nur ein müdes Lächeln übrig. Niemals! Verstohlen beobachtete er, wie bei den „Toubabs“ auch die Jungs beim Abwasch halfen.
Durch den Aufenthalt von Fremden, bekommt die Dorfbevölkerung einen einzigartigen Einblick in eine andere Lebensrealität. Eine einerseits bereichernde, aber auch komplexe Erfahrung.
Beim Abschied nehmen von den liebgewonnenen Freunden versteckte Abdou seine Trauer hinter einer gespielten Lässigkeit. Immerhin, mit Facebook liesse sich der Kontakt aufrechterhalten. Der 17-Jährige vermisste die Gäste und den ungewöhnlichen Trubel schmerzlich. Abdou dachte viel über die Gespräche nach, die er mit den „Toubabs“ geführt hatte. Nichts war wie vorher.
Auch Abdou’s Mutter entgingen die Veränderungen nicht. „Mein Sohn hilft mir nun freiwillig beim Kochen“, erzählt sie nicht ohne Stolz dem Koordinationsteam von Nouvelle Planète, welches das Hilfsprojekt betreut. Weder Abdou noch seine Mutter werden die „Toubabs“ und die Erlebnisse während des dreiwöchigen Einsatzes je vergessen.
Thaïs In der Smitten